Die Gipfel der Heuchelei
Eine Woche nach dem Migrationsgipfel der EU, bei dem mehr Geld für Abschottung und Abschreckung, schnellere Abschiebungen und Asylverfahren an den Außengrenzen beschlossen wurden, empfängt Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Donnerstag die Innenminister*innen der Länder und Vertreter*innen der kommunalen Spitzenverbände (das sind die drei bedeutendsten kommunalpolitischen Interessensverbänden Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag und Deutscher Städte- und Gemeindebund) beim „Flüchtlingsgipfel“.
Wieder einmal werden Geflüchtete medial als Problem inszeniert, für das nur Abschottung die Lösung zu sein scheint.
Seit Wochen wird berichtet, dass die Kommunen „am Limit“ seien. Vordergründig wird um Geld verhandelt: Länder und Kommunen wollen mehr Geld vom Bund. Aber was mitschwingt sind altbekannte Rufe nach einem noch härteren und brutaleren Grenzregime.
Der „Druck“ auf die Kommunen sei enorm, so beispielsweise der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) der die Gelegenheit nutzt, um eine bessere „Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung“ zu fordern (Quelle). Bayerns Ministerpräsident Söder (CSU) fordert, dass es keine zusätzlichen Aufnahmeprogramme für Geflüchtete mehr geben solle sowie „die angekündigte Rückführoffensive sofort umgesetzt“ werde. Und auch für Bundesfinanzminister Lindner (FDP) ginge es bei dem Flüchtlingsgipfel vor allem darum, dafür zu sorgen, „dass nicht Deutschland der bevorzugte Ort für Geflüchtete in Europa ist“ (Quelle).
Dabei liegen Lösungen für die Probleme auf der Hand, werden aber kaum in die Debatte gebracht.
2022 hat die Bundesregierung für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine mit ukrainischem Pass die sogenannte Massenzustromrichtlinie aktiviert, was den Menschen den sofortigen Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Leistungen des Jobcenters und zu privaten Wohnungen ermöglichte.
70% der ukrainischen Schutzsuchenden wohnen in privaten Wohnungen (Quelle), da sie nicht verpflichtet sind, in Gemeinschaftsunterkünften zu leben und ihren Wohnort frei wählen können. Das macht es möglich, dorthin zu gehen, wo persönliche Netzwerke schon existieren, Aussichten auf eine Wohnung oder eine Arbeitsstelle bestehen, oder viel Unterstützung aus der Zivilgesellschaft angeboten wird. Auch werden einige Berufsabschlüsse einfacher anerkannt.
Andere Asylsuchende hingegen werden zwangsumverteilt und kaserniert. Sie können nicht selbst entscheiden, wo sie leben wollen. Selbst wenn sie bei Freund*innen oder Verwandten wohnen könnten, werden sie auf Basis der Königsteiner Schlüssels in irgendwelche Regionen geschickt, dort in Landesaufnahmeeinrichtungen zusammengepfercht und dann willkürlich auf Lager in Kommunen verteilt. Schutzsuchende aus angeblich „sicheren Herkunftsstaaten“ müssen sogar bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens – und bei Ablehnung bis zur Abschiebung – in Erstaufnahmeeinrichtungen leben und sind von gesellschaftlicher Teilhabe fast gänzlich ausgeschlossen.
Wir fordern deshalb:
- Die Wohnverpflichtung in Aufnahmeeinrichtungen und Wohnsitzauflagen müssen abgeschafft werden. Die freie Wahl des Wohnorts sowie der Zugang zu Privatwohnungen muss allen Geflüchteten ermöglicht werden.
- Alle Menschen sollen arbeiten und eine Ausbildung machen dürfen. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag versprochen, die Arbeits- und Ausbildungsverbote abzuschaffen. Davon ist aber in der aktuellen Debatte keine Rede mehr. Wenn Menschen verboten wird, zu arbeiten und selbstständig ihren Lebensunterhalt zu sichern, macht das die gesellschaftliche Teilhabe unmöglich. Der Zugang zum Arbeitsmarkt würde außerdem der Neiddebatte von rechts endlich das Wasser abgraben.