BLEIBERECHT FÜR ALLE – statt Chancenfalle!

DEUTSCH

Rassismus in Gesetzen

Heute, am Internationalen Tag gegen Rassismus, erinnern wir an den staatlichen Rassismus, der im Asyl- und Aufenthaltsrecht und anderen Sondergesetzen gegen Migrant*innen und Geflüchtete zu finden ist.

Beispiel ‘Asylbewerberleistungsgesetz’

Schon der Name dieses Gesetzes entlarvt staatlichen Rassismus: Mit ‘Asylbewerber’ werden schutzsuchende Geflüchtete bezeichnet, die im ‘Asylverfahren’ sind, also Menschen, über deren Asylantrag das BAMF noch nicht entschieden hat. Mit dem Begriff ‘Asylbewerber’ wird deutlich, dass sie sich um Asyl bewerben müssen wie um eine Arbeitsstelle, am besten mit lückenlosem Lebenslauf, besten Zeugnissen und Dokumenten.
Das AsylbLG bedeutet eine massive Einschränkung der Grundrechte von Menschen auf der Flucht, die in der Bundesrepublik Schutz suchen. Mit dem Gesetz wurde das Sachleistungsprinzip, verpflichtende „gemeinnützige Arbeit“ für 80 Cent/h und eine eingeschränkte Gesundheitsversorgung für Geflüchtete eingeführt.
Das Leistungsniveau des Asylbewerberleistungsgesetzes liegt weit unter dem sozialrechtlichen Existenzminimum. Die Regelsätze sind niedriger und oft werden Geldleistungen durch Sachleistungen ersetzt. Damit werden Menschen diskriminiert und entmündigt. Sanktionen führen oft zu weiteren Kürzungen, manchmal über viele Jahre. Die eingeschränkte Gesundheitsversorgung führt oft dazu, dass dringend notwendige medizinische Behandlungen verschleppt werden und chronische Krankheiten sich verschlechtern.
Entstanden ist das Asylbewerberleistungsgesetz 1993 im Zusammenhang mit der Beschränkung des Asylrechts. Es sollte mit niedrigeren Sozialleistungen und der Sachleistungsversorgung Schutzsuchende abschrecken bzw. zur Ausreise bewegen.
Heute 30 Jahre später, fordert ein breites Bündnis die Abschaffung dieses Gesetzes und auch wir werden uns an der Bundesweiten Aktionswoche – Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen! beteiligen.

Beispiel Arbeitsverbote

In ihrem Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung versprochen, die Situation von Asylsuchenden und Migrant*innen zu verbessern. Geplant waren viele Gesetzesänderungen in insgesamt vier Gesetzespaketen, den sogenannten Migrationspaketen.
Das erste Migrationspaket wurde Ende letzten Jahres verabschiedet und ist jetzt seit Januar in Kraft. Es gibt nun eine Bleiberechtsregelung für langjährig Geduldete. Wir kritisieren diese Regelung, weil viele Geduldete davon ausgeschlossen sind. Mehr über diese Bleiberechtsregelung könnt ihr hier nachlesen.
Die Regierung hat uns aber noch mehr versprochen: Sie haben zugesagt, die “Duldung light” und Arbeitsverbote abzuschaffen. Von diesen geplanten Gesetzesänderungen hören wir seit Monaten nichts.
Sie haben auch versprochen, eine eidesstattliche Versicherung einzuführen, mit der diejenigen, die keinen Pass besorgen können, ihre “Identität klären” können. “Identitätsklärung” ist übrigens ein komplett absurder Begriff aus der deutschen Bürokratie. Was hat meine Identität mit einem Pass zu tun oder mit einer Geburtsurkunde? Habe ich keine Identität, wenn ich keinen Pass und keine Geburtsurkunde habe? Mit der Verpflichtung, irgendwelche Dokumente zu besorgen, schikanieren viele Ausländerbehörden Asylsuchende. Das ist Machtmissbrauch. Das versprochene Gesetz, das diesen Machtmissbrauch verhindern würde, wäre eine wirkliche Verbesserung. Aber auch von dieser geplanten Gesetzesänderung hören wir seit Monaten nichts.
Muss eine Regierung sich nicht an ihre Versprechen halten? Was sollen wir dieser Regierung noch glauben?
Wir, die Flüchtlinge im Netzwerk der Kampagne Bleiberecht für Alle – statt Chancenfalle! wissen, wir müssen für unsere Rechte kämpfen. Wir werden deshalb am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, unsere Forderungen auf die Straße tragen:

Arbeitsverbote und andere bürokratische Schikanen endlich abschaffen!

Bruno Watara

Wir freuen uns über jede*n, die/der unsere Aktionen unterstützen will. Schickt uns einfach eine Nachricht!

    Beitragsbild: 30.03.2021: Geflüchtete in Brandenburg an den Havel demonstrieren für ihre Rechte. 

    Appell zur Solidarität mit Asylsuchenden

    Am Dienstag, den 07. März 2023 demonstrieren wir gemeinsam mit unserem Netzwerkpartner ‘Barnim für alle’ vor der Ausländerbehörde in Eberswalde.

    Hier der Aufruf von ‘Barnim für alle’:

    Wir laden Sie herzlich ein, sich uns anzuschließen und Ihre Stimme gegen die unmenschliche Abschiebung von Asylsuchenden in Deutschland und die Isolation, die sie erfahren, zu erheben. Zusammen können wir ein Zeichen setzen und unsere Solidarität mit den Menschen zeigen, die in unserer Gesellschaft oft vergessen werden.

    Wir sind empört über die menschenunwürdigen Zustände, denen Asylsuchende in Deutschland ausgesetzt sind. Die Ausländerbehörde und andere Behörden setzen Asylsuchende unter Druck, indem sie sie in Lagern und Gemeinschaftsunterkünften unterbringen, die oft überbelegt, schlecht ausgestattet und in schlechtem Zustand sind. Diese Isolation macht es ihnen schwer, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, Arbeit zu finden und sich in die Gesellschaft zu integrieren.

    Wir sind auch entsetzt über die unmenschliche Praxis der Abschiebung von Asylsuchenden, die oft in Ländern landen, in denen sie politischer Verfolgung, Folter oder gar Tod ausgesetzt sind. Wir glauben, dass alle Menschen das Recht auf ein Leben in Würde und Freiheit haben und dass niemand in eine solch lebensbedrohliche Situation gezwungen werden sollte.

    Wir fordern die Behörden auf, Asylsuchende nicht länger in Lagern und Gemeinschaftsunterkünften zu isolieren und die unmenschliche Praxis der Abschiebung zu beenden. Wir fordern auch eine Reform des Asylsystems, um Asylsuchenden eine angemessene Unterstützung und Schutz zu gewährleisten.

    Kommt und zeigt Eure Solidarität mit Asylsuchenden in Deutschland! Zusammen können wir eine starke Botschaft an die Behörden senden und uns für die Menschenrechte einsetzen.

    Datum: 7.3.2023
    Uhrzeit: 16:00-17.30
    Ort: Ausländerbehörde Eberswalde Pfeilstr-1 Goethe Str

    Die Gipfel der Heuchelei

    Eine Woche nach dem Migrationsgipfel der EU, bei dem mehr Geld für Abschottung und Abschreckung, schnellere Abschiebungen und Asylverfahren an den Außengrenzen beschlossen wurden, empfängt Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Donnerstag die Innenminister*innen der Länder und Vertreter*innen der kommunalen Spitzenverbände (das sind die drei bedeutendsten kommunalpolitischen Interessensverbänden Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag und Deutscher Städte- und Gemeindebund) beim „Flüchtlingsgipfel“.

    Wieder einmal werden Geflüchtete medial als Problem inszeniert, für das nur Abschottung die Lösung zu sein scheint.

    Seit Wochen wird berichtet, dass die Kommunen „am Limit“ seien. Vordergründig wird um Geld verhandelt: Länder und Kommunen wollen mehr Geld vom Bund. Aber was mitschwingt sind altbekannte Rufe nach einem noch härteren und brutaleren Grenzregime.
    Der „Druck“ auf die Kommunen sei enorm, so beispielsweise der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) der die Gelegenheit nutzt, um eine bessere „Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung“ zu fordern (Quelle). Bayerns Ministerpräsident Söder (CSU) fordert, dass es keine zusätzlichen Aufnahmeprogramme für Geflüchtete mehr geben solle sowie „die angekündigte Rückführoffensive sofort umgesetzt“ werde. Und auch für Bundesfinanzminister Lindner (FDP) ginge es bei dem Flüchtlingsgipfel vor allem darum, dafür zu sorgen, „dass nicht Deutschland der bevorzugte Ort für Geflüchtete in Europa ist“ (Quelle).

    Dabei liegen Lösungen für die Probleme auf der Hand, werden aber kaum in die Debatte gebracht.

    2022 hat die Bundesregierung für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine mit ukrainischem Pass die sogenannte Massenzustromrichtlinie aktiviert, was den Menschen den sofortigen Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Leistungen des Jobcenters und zu privaten Wohnungen ermöglichte.

    70% der ukrainischen Schutzsuchenden wohnen in privaten Wohnungen (Quelle), da sie nicht verpflichtet sind, in Gemeinschaftsunterkünften zu leben und ihren Wohnort frei wählen können. Das macht es möglich, dorthin zu gehen, wo persönliche Netzwerke schon existieren, Aussichten auf eine Wohnung oder eine Arbeitsstelle bestehen, oder viel Unterstützung aus der Zivilgesellschaft angeboten wird. Auch werden einige Berufsabschlüsse einfacher anerkannt.
    Andere Asylsuchende hingegen werden zwangsumverteilt und kaserniert. Sie können nicht selbst entscheiden, wo sie leben wollen. Selbst wenn sie bei Freund*innen oder Verwandten wohnen könnten, werden sie auf Basis der Königsteiner Schlüssels in irgendwelche Regionen geschickt, dort in Landesaufnahmeeinrichtungen zusammengepfercht und dann willkürlich auf Lager in Kommunen verteilt. Schutzsuchende aus angeblich „sicheren Herkunftsstaaten“ müssen sogar bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens – und bei Ablehnung bis zur Abschiebung – in Erstaufnahmeeinrichtungen leben und sind von gesellschaftlicher Teilhabe fast gänzlich ausgeschlossen.

    Wir fordern deshalb:
    • Die Wohnverpflichtung in Aufnahmeeinrichtungen und Wohnsitzauflagen müssen abgeschafft werden. Die freie Wahl des Wohnorts sowie der Zugang zu Privatwohnungen muss allen Geflüchteten ermöglicht werden.
    • Alle Menschen sollen arbeiten und eine Ausbildung machen dürfen. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag versprochen, die Arbeits- und Ausbildungsverbote abzuschaffen. Davon ist aber in der aktuellen Debatte keine Rede mehr. Wenn Menschen verboten wird, zu arbeiten und selbstständig ihren Lebensunterhalt zu sichern, macht das die gesellschaftliche Teilhabe unmöglich. Der Zugang zum Arbeitsmarkt würde außerdem der Neiddebatte von rechts endlich das Wasser abgraben.
    Menschenrechte und ein bedingungsloses Bleiberecht für Alle!

    Die Instanbul-Konvention umsetzen!

    Deutschland erneuert die Vorbehalte gegen die Istanbul-Konvention nicht – und feiert sich dafür.

    Anstatt sich selbst zu applaudieren, sollte die Bundesregierung das Aufenthaltsrecht von Ehegatt*innen reformieren, um Frauen mit Flucht- und Migrationsgeschichte besser vor Gewalt zu schützen.

    Was ist die Istanbul-Konvention?

    Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen1 und häuslicher Gewalt (kurz: Istanbul-Konvention) ist ein völkerrechtlich bindendes Regelwerk zur umfassenden Bekämpfung von Gewalt an Frauen und Mädchen. Staaten, die die Konvention unterzeichnet haben, verpflichten sich, die in der Istanbul-Konvention vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen und ihre nationale Gesetzgebung an sie anzupassen.

    Die Konvention wurde am 11. Mai 2011 in Istanbul verabschiedet und ist zum 1. Februar 2018 in Deutschland in Kraft getreten. Damit hat sich der deutsche Staat dazu verpflichtet, Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu bekämpfen, zu verfolgen und Mädchen und Frauen nachhaltig zu schützen.

    Unter Vorbehalt: Bisher hatte die Bundesregierung Vorbehalte gegen Artikel 59 der Konvention, in dem die Verpflichtung festgeschrieben ist, auch Frauen mit prekärem Aufenthaltsstatus vor Gewalt zu schützen. Damit war Deutschland bisher nicht zur vollständigen Umsetzung von Artikel 59 verpflichtet.

    Artikel 59 legt fest, dass Opfer von Gewalt, deren Aufenthaltsstatus vom Aufenthaltsstatus de*r Ehegatt*in abhängt, im Fall der Auflösung der Ehe oder der Beziehung „bei besonders schwierigen Umständen auf Antrag einen eigenständigen Aufenthaltstitel unabhängig von der Dauer der Ehe“ erhalten (Im Original als pdf).

    Diese Vorbehalte laufen nun fünf Jahre nach Einlegung automatisch aus, wenn der Staat sie nicht ausdrücklich gegenüber dem Europarat verlängert und dies begründet. Da die Bundesregierung die Vorbehalte nicht aufrechterhalten hat, gilt die Konvention seit heute uneingeschränkt auch in Deutschland.

    Was bedeutet das konkret?

    Zunächst einmal gar nichts. Denn die aktuelle Bundesregierung ist der Meinung, dass Deutschland Artikel 59 bereits jetzt vollständig umsetze: „Die persönliche Situation der Opfer wird bei jeder aufenthaltsrechtlichen Prüfung berücksichtigt“, behauptet das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSJ, 28.10.2022).

    Fachorganisationen sehen das anders: §31 des Aufenthaltsgesetzes sorgt dafür, dass Frauen, die nicht mehr mit ihrem Ehegatten zusammenleben wollen, Angst um ihre Aufenthaltserlaubnis haben müssen, wenn die Ehe seit weniger als drei Jahren besteht. „Dadurch fehlt es Frauen nicht nur an Schutz, sondern sie sind aufgrund bestehender Gesetze gezwungen, mit Gewalt und Missbrauch zu leben, weil sonst eine Abschiebung drohen kann“, sagt Dr. Atmaca vom Bündnis Istanbul-Konvention.

    Wenn die Bundesregierung die Istanbul-Konvention umsetzen und Frauen vor Gewalt schützen will, muss sie das Aufenthaltsrecht von Ehegatt*innen reformieren. Wir brauchen ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für Ehegatt*innen vom ersten Tag an.

    Feminist*innen und Menschenrechtsorganisationen werden also noch viel zu tun haben, die tatsächliche Umsetzung des Artikel 59 der Istanbul-Konvention einzufordern.

    Auch darüber hinaus stehen noch viele Maßnahmen zur Umsetzung der Konvention aus:

    Es fehlen beispielsweise

    • „ein nationaler strategischer Rahmen sowie bundesweite Ziele zur Umsetzung der Konvention, die die Rechte der Opfer in den Mittelpunkt stellen“(AWO  31.01.2023)

    • eine bundesgesetzliche Grundlage, die das Recht auf Schutz, Beratung und Hilfe bei geschlechtsspezifischer bzw. häuslicher Gewalt gegen Frauen und Mädchen garantiert,

    • rund 15.000 Familienplätze in Frauenhäusern,

    • spezifischen Angebote für Frauen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen, für wohnungslose Frauen und für Asylsuchende.

    Aber das reicht uns nicht.

    Die Istanbul-Konvention bezieht sich auf Gewalt gegen Frauen und Mädchen, die vom Ehemann oder Beziehungspartner ausgeht. Als Menschenrechtsaktivist*innen haben wir auch die Gewalt im Blick, die vom Staat ausgeht. Ohne Zweifel sind Abschiebungen Gewalt. Das Asyl- und Aufenthaltsrecht ist durchzogen von struktureller Gewalt, z.B. Arbeitsverboten und der Verpflichtung in Sammelunterkünften zu leben. Feminist*innen und Menschenrechtsorganisationen werden noch viel zu tun haben, deutlich zu machen, dass auch diese strukturelle Gewalt genderspezifische Aspekte hat. 

    Unsere Forderung:

    Menschenrechte und eine sichere Bleibeperspektive für Alle.

    Beitragsbild: Demo von Women in Exile & Friends am 07.03.2015 in Potsdam

    1 Die Instanbul-Konvention bezieht sich tatsächlich auf Frauen ohne Sternchen. Um den Kontext richtig wieder zu geben, verzichten wir deshalb in diesem Artikel ebenfalls auf gendersensible Sprache.

    Am 19. Februar dieses Jahres jährt sich zum dritten Mal der rechtsterroristische Anschlag in Hanau.

    Vor drei Jahren wurden Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar, Kaloyan Velkov kaltblütig ermordet.

    Noch immer wurde weder nach dem Ruf nach Aufklärung und Konsequenzen nachgegangen, noch aktiv etwas unternommen, dass sich diese Tat nicht wiederholt.
    Es sind nun drei Jahre vergangen und noch immer gibt es keine Aufklärung des unbegreiflichen Polizeieinsatzes, der Ermittlungsfehler, nicht funktionierende Notrufleitungen, nicht verwendete Zeugenaussagen und das explizite Versagen der hessischen Polizei auch in Bezug auf den NSU 2.0

    Umso wichtiger ist es deshalb, dass WIR als antirassistische Initiativen und Antirassist:innen um die Aufklärung kämpfen.

    Deshalb rufen wir euch alle zu unserer Kundgebung am 19.2. um 14 Uhr auf dem Oranienplatz auf!

    Kommt zahlreich, seid dabei und lasst uns ein lautes Zeichen setzen!
    Aufruf  der Initiative 19. Februar Hanau zum dritten Jahrestag am 19.02.2023

    3 Jahre nach dem rassistischen Anschlag in Hanau: Wir trauern und erinnern.

    Es sind 1065 Tage vergangen. 1065 Tage – das sind 2 Jahre und 11 Monate. Tage, die wir zählen, seitdem wir Ferhat, Hamza, Said Nesar, Vili Viorel, Mercedes, Kaloyan, Fatih, Sedat und Gökhan verloren haben durch einen rassistischen Mörder.

    Jahre, Monate und Tage vergehen, aber der Schmerz wächst weiter.

    Der 19. Februar 2020 –  an jenem Tag wurden unsere Liebsten auf brutale Weise aus unserem Leben gerissen. Die Wunden, die dieser Tag in uns hinterlassen hat, verheilen nicht. Jahre, Monate und Tage werden vergehen –  der Schmerz bleibt.

    Seit dem 19. Februar 2020 wissen wir auch, dass unsere Liebsten nicht nur ein Teil unseres Leben waren. Im ganzen Land zeigten sich die Menschen mit ihnen verbunden. Sie gaben etwas ab von ihrer Zeit, ihrem Leben, ihren Ideen und ihrer Kraft, um die Trauer und die Wut gemeinsam zu tragen und die Erinnerung lebendig zu halten.

    Wir haben versprochen, dass wir keine Ruhe geben werden. Seit drei Jahren tragen wir eure Namen überall hin.

    Wir erzählen eure Geschichten, klagen über das was passiert ist, das was nicht gesagt wird und das was nicht verhindert wurde.

    In diesen drei Jahren haben wir mit allen politisch Verantwortlichen gesprochen. Wir waren in Frankfurt, in Wiesbaden, in Berlin. Wir sind auf offene Türen und Ohren gestoßen. Aber nicht auf offene Herzen.

    Uns wurde Gerechtigkeit versprochen. Und doch müssen wir auch zum dritten Jahrestag weiterhin nach Konsequenzen fragen, die es immer noch nicht gibt. Der Untersuchungsausschuss, der unsere Fragen beantworten sollte, wird seinem Auftrag nicht gerecht. Wir fragen uns, wie lange wollen hessische Sicherheitsbehörden noch vertuschen, wie lange noch schweigen, wie lange noch ignorieren?

    Heute, fast drei Jahre später, wissen wir: die Grenze der Gerechtigkeit heißt Konsequenzen.

    Ein Mahnmal auf dem Marktplatz gibt es bis heute nicht, wir kämpfen weiterhin darum, dass es ein Mahnmal auf dem Marktplatz gibt.

    Wir haben selbst recherchiert und aufgeklärt und unsere gemeinsame Ausstellung mit Forensis wird ab dem 1. Februar bis zum 18. März im Hanauer Rathaus sein.

    Am Jahrestag am 19.02.2023  werden wir in Hanau, Offenbach und Dietzenbach auf den Friedhöfen im Stillen gedenken. Am Marktplatz wird es das offizielle Gedenken geben. Wir werden zusammen mit dem Hanauer Jugendbündnis ab 16 Uhr demonstrieren. Ab 21:30 Uhr versammeln wir uns mit euch an den Tatorten am Heumarkt und in Kesselstadt, um nicht alleine zu bleiben.

    Wir fordern euch für den 19. Februar wieder dazu auf, an unserer Seite zu stehen. Organisiert auf den Straßen und Plätzen eurer Städte und Dörfer Kundgebungen, Demonstrationen, Gedenkaktionen. Erinnern heißt verändern.

    Hanau, den 19. Januar 2023

    22.01.23 Aufruf der geflüchteten Freund*innen von Zoumana

     

    English below // francais ci-dessous

    ‼️ KUNDGEBUNG GEGEN ABSCHIEBUNG ÜBERMORGEN IN BERNBURG ‼️

    Die Ausländerbehörde Bernburg will unseren Freund Zoumana in der nächsten Woche abschieben. Dagegen stehen wir auf!

    Wo? Friedensallee 25, 06406, Bernburg (Saale)
    Wann? Am Dienstag dem 24. Januar 2023

    Gemeinsame Anreise aus Berlin: Treffpunkt 11h Berlin Hauptbahnhof Gleis 14 für die RE7 nach Dessau (Abfahrt 11h14)

    Wir werden dieser menschenverachtenden Behörde nicht in Ruhe lassen, solange sie Zoumana nicht befreien. Kommt mit uns am Dienstag nach Bernburg!

    Hier die Petition mit mehr Infos: https://www.openpetition.de/petition/online/zoumana-braucht-hilfe

    Abschiebung ist Folter, Abschiebung ist Mord!
    Solidarität ist unsere Waffe!
    #FreeZoumana


    ‼️ RALLY AGAINST DEPORTATION THE DAY AFTER TOMORROW IN BERNBURG ‼️

    The foreigners authority in Bernburg wants to deport our friend Zoumana next week. We stand up against this!

    Where? Friedensallee 25, 06406, Bernburg (Saale)
    When? On Tuesday the 24th of January 2023

    Common journey from Berlin: Meeting point 11am Berlin main station platform 14 for the RE7 to Dessau (departure 11h14).

    We will not leave this inhuman authority in peace as long as they do not free Zoumana. Come with us on Tuesday to Bernburg!

    Here the petition with more info: https://www.openpetition.de/petition/online/zoumana-braucht-hilfe

    Deportation is torture, deportation is murder!
    Solidarity is our weapon!
    #FreeZoumana


    ‼️ RASSEMBLEMENT POUR STOPPER UNE EXPULSION APRÈS-DEMAIN À BERNBURG ‼️

    L’autorité des étrangers à Bernburg veut expulser notre ami Zoumana la semaine prochaine. Nous n‘allons pas la laisser faire ! Ensemble luttons !

    Où ? Friedensallee 25, 06406, Bernburg (Saale)
    Quand ? Le mardi 24 janvier 2023

    Voyager ensemble depuis Berlin : Rendez-vous à 11h à la gare centrale de Berlin, quai 14, pour le RE7 en direction de Dessau (départ 11h14).

    Nous ne laisserons pas cette autorité inhumaine tranquille tant qu’elle ne libérera pas Zoumana. Venez avec nous mardi à Bernburg !

    Voici la pétition avec plus d’informations : https://www.openpetition.de/petition/online/zoumana-braucht-hilfe

    La déportation est une torture, la déportation est un meurtre !
    La solidarité est notre arme !
    #FreeZoumana


    Beitragsbild: Demo “Der Ausländerbehörde Menschenrechte beibringen” am 30.11.2022 in Bernburg

    Was bedeutet das neue Migrationspaket für geflüchtete Frauen*?

    Informations- und Diskussionsveranstaltung am 26.01. in Berlin
     

    Frauenkreise Berlin ist seit 30 Jahren ein intersektionales feministisches Zentrum in Berlin-Pankow. Sie bieten Beratung an, machen politische Bildungarbeit und fördern Empowerment an der Schnittstelle zwischen sexistischer und rassistischer Diskriminierung und Ausgrenzung. Der Ansatz von Frauenkreise Berlin ist feministisch, intersektional, rassismuskritisch und solidarisch. Deshalb unterstützt Frauenkreise Berlin unsere Kampagne BLEIBERECHT FÜR ALLE- statt Chancenfalle!

    Auf einer Veranstaltung von Frauenkreise Berlin stellen wir unsere Kampagne vor und diskutieren mit der Selbstorganisation geflüchteter und zugewanderter Frauen Space2groW darüber, was die aktuellen und geplanten Gesetzesänderungen im Asyl-und Aufenthaltsrecht für geflüchtete Frauen* bedeuten.

    Donnerstag 26. Januar 2023
    19:00 Uhr
    Frauenkreise Berlin
    Chorinerstraße 10
    10119 Berlin

    Inputs von:
    • Do Lindenberg & Bruno Watara, Mit-Initiator*innen der Kampagne
    • angefragt: Jurist*innen der Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e. V. (KuB)
    • Mitarbeiter*innen von Space2groW

    Ihre/eure Anmeldungen erleichtern die Organisation der Veranstaltung.

    Die zweite Woche des Jahres 2023 steht in der Berliner Politik im Zeichen der „Silvesternacht“ und der „Integrationsdebatte“. Eine Aktivistin unserer Kampagne hat dazu etwas anzumerken.

    Neues Jahr, alte Rassismus – mich macht das wütend.

    Wieder mal Silvester in Berlin – diesmal darf nach zwei Jahren nach großen Sammlungs- und Böllerverboten wieder geknallt werden. Wieder mal wird überlegt, wo man den feierlichen Abend so verbringt, und darüber geredet, dass Berlins Straßen sich für einige Stunden um Mitternacht – wie auch jedes Jahr zuvor – doch in eine „Gefahrenzone“ verwandeln; eine Art Tradition, nicht nur in Berlin sondern deutschlandweit.

    Also hoch auf den Berliner Loft-Dachterrassen sammelt sich wieder mal Champagner schlürfend die Oberschicht, um 24 Uhr die offizielle Feuerwerksshow zu bewundern und sich gegenseitig zu ihren Karriereerfolgen zu gratulieren. Und man unterhält sich darüber, wie schrecklich doch alles dort unten vor sich geht. Der Rauch und der Müll und alles. Alles ist sowieso umweltschädlich und gehört im Zeitalter des Klimawandels nicht mehr zu einer zivilisierten Lebensform. Zum Glück fliegt man ja am nächsten Tag – wie jedes Jahr – zum Skifahren in die Schweiz: Dort ist ja die Luft zum Glück noch frisch und rein. Vielleicht sollte man nächstes Silvester besser ganz still in einem Ashram in Indien verbringen…

    Und in dieser Nacht auf den Berliner Straßen passiert noch etwas: der feuchte Traum aller AfD-Wähler*innen. Migrantische Kids lassen in Silvesterlaune und im Suff so richtig die Sau raus! Und das noch – wie direkt aus einem Polizeischule-Bilderbuch – im ohnehin gebrandmarkten Bezirk Neukölln! Und natürlich dauert es keine 24 Stunden und die altbekannte rassistische „Integrations“-Debatte nimmt ihren freien Lauf: auf Twitter entsteht sichtbar ein wer-haut-den-schlimmsten-Spruch-raus-ohne-sich-strafbar-zu-machen-Wettbewerb. Nach Polizeiangaben werden 145 junge Menschen mit verschiedensten Staatsangehörigkeiten festgenommen (Tatverdächtige wegen Angriffen auf Einsatzkräfte waren es, wie später bekannt wurde, allerdings nur 38), und bevor von ihrer Seite eine einzige Aussage bekannt wird, kennen bereits viele „Expert*innen“ die Hintergründe zu den Taten in dieser Nacht.

    Ich kenne die Beweggründe dieser Kids auch nicht. Wenn aber aus diesen Ereignissen nun eine breite Migrationsdebatte mit Rufen nach „mehr Integration“ oder sogar den grundgesetzwidrigen Entzug deutscher Staatsbürgerschaft losbricht, wird es notwendig, die Migrationsdebatte aus verschiedenen Perspektiven darzustellen. Man muss sich ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, was diese jungen Leute so wütend macht. Als z. B. Pegida gewaltbereit durch Dresden zog oder Querdenker sogar den Bundestag zu stürmen versuchten, habe ich nicht so einen große medialen Aufschrei nach Demokratieverständnis und harten Strafen wahrgenommen – oder dass die Nachbarschaft die Pflicht hätte, diese abgehängte Dumpfbacken in Schach zu halten – sondern eher Reden voller Empathie, Wir müssten doch bitteschön die „Sorgen des kleinen Mannes“ ernst nehmen, hieß es.

    Was ist denn mit den Sorgen, Ängsten und Frustrationen der migrantischen und geflüchteten jungen Menschen? Kids, die mit ihren Familien oder sogar allein vor dem Krieg geflohen sind, ohne ordentliche psychologische Beratung und Therapie in Deutschland zu erhalten. Kids, die durchaus Jahre in menschenunwürdigen Aufnahmelagern wohnen mussten oder noch müssen. Kids, die seitens der Behörden schikaniert werden und mit ihren Familien ständig in Angst vor Abschiebung leben müssen. Kids, die in der Schule, bei der Arbeits- und Wohnungssuche sowie in Bars und Clubs ständig Rassismus erfahren; gerade Kids in Neukölln, deren Trefforte, wie Shisha Bars, systematisch von der Polizei attackiert werden. Kids, die Racial Profiling und Polizeigewalt erfahren.

    Meine Arbeitskolleg*innen fragen mich, ob ich Weihnachten und Silvester „zu Hause“ oder in der Heimat verbracht habe. Damit sind nicht meine vier Wände oder mein Wohnbezirk gemeint, sondern mein Herkunftsland. Auch nach fast 20 Jahren darf Berlin irgendwie wohl immer noch nicht mein Zuhause oder meine „Heimat“ sein. Und ich darf dies wohl auch nicht selbst definieren, sondern andere tun dies für mich. Deutschland ist seit einigen Jahren endlich offiziell als „Einwanderungsland“ definiert worden – und welches Land ist das denn nicht? Migration hat es immer gegeben und wird es auch immer geben. Menschen migrieren aus verschiedensten Gründen, aber alle haben gute Gründe dafür und möchten ein neues, gutes Leben an neuem Ort führen.

    Wir müssen das friedliche Zusammenleben inklusiv gestalten und nicht einseitig: Menschen sind keine Maschinen, die erst „liefern“ müssen, um dann akzeptiert oder sogar nur toleriert zu werden. Menschen brauchen gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft, Perspektiven und Sicherheit. Niemand kann ein gutes Leben in ständiger Angst vor Abschiebung, Arbeits- oder Bildungsverboten oder Schikanen und Drohungen von den Behörden, Justiz und der Polizei führen. Wenn dies aber der Fall ist, darf man sich nicht wirklich wundern, wenn junge Leute irgendwann ihre Wut und die Sau raus lassen.

    Beitragsbild von Till Frers auf Pixabay

    Wir dürfen nicht aufhören zusammen zu kämpfen!

    “In Afrika denken Menschen, es gibt in Europa Freiheit und Gerechtigkeit. Das ist aber ein ganz falsches Bild.”

    Vor 18 Jahren verbrannte Oury Jalloh in einer Zelle des Dessauer Polizeireviers. Etwa 2000 Menschen nahmen am 07.01.2023 an einer Gedenkdemonstration in Dessau teil.

    Hier könnt ihr die Rede von Salah, Refugees with Attitudes, anhören. Er kam selbst 2014 als Geflüchteter übers Mittelmeer nach Europa und kennt allzu gut rassistische Behördenstrukturen – samt Arbeitsverboten und Residenzpflicht – in Deutschland.
    Sein Fazit: “Wir dürfen nicht aufhören zusammen zu kämpfen!”

    Eiskalte Weihnacht

    Es ist wieder so weit: Wir feiern Weihnachten. Ein Fest der Lichter, Geschenke, Gemütlichkeit und Wärme. In allen mögliche Werbungen lesen wir jetzt: das Fest der Liebe. Einige von uns sehen in diesen Tagen vielleicht ein Krippenspiel. Die Geschichte ist schnell erzählt: Ein junges Paar macht sich auf dem Weg von Nazareth, um an einer Volkszählung teilzunehmen. Eine beschwerliche Reise, weil sie hoch schwanger ist. In Nazareth angekommen, wird ihnen überall ein Zimmer zum Übernachten verweigert. Am Ende kommen sie in dem Stall unter, in dem dann auch das Baby zur Welt kommt. Das sieht im Krippenspiel meist sehr romantisch aus. Ist es aber nicht. Tatsächlich ist dies die schlechteste Unterbringung überhaupt. Aber es kommt noch schlimmer. Herodes, dem Herrscher der Region, wird vorhergesagt, dass ein Kind in genau dieser Nacht geboren wird, das ihn und seine Herrschaft bedrohen könnte. Also schickt er in seiner Paranoia seine Polizei aus und lässt alle Neugeborenen töten. Unser junges Paar mit dem neugeborenen Baby hat Glück im Unglück und kann rechtzeitig fliehen. Die Flucht wird nicht beschrieben, das Krippenspiel endet in der Regel nach der Geburt, wenn alle romantischen Momente aufgebraucht sind – auch die, die eigentlich gar nicht romantisch sind. Die Flucht mit all ihren Problemen wird nicht weiter erzählt.

    Die Geburt eines Kindes, das sein Leben auf der Flucht beginnt, ist der weihnachtliche Grundmythos, der weltweit gefeiert wird. Man sollte also meinen, dass zumindest in der Weihnachtszeit Geflüchtete eine größere Wertschätzung erfahren. Aber weit gefehlt! An Europas Grenzen sterben fortwährend Menschen auf der Flucht im Mittelmeer oder zum Beispiel an den apokalyptischen Grenzzäunen an der spanisch-marokkanischen Grenze. An der polnischen Grenze nach Belarus werden Geflüchtete unter Ausschluss der Öffentlichkeit brutal über die EU-Grenze zurückgeprügelt. Geflüchtete, die es über die türkische Grenze nach Bulgarien schaffen, werden dort unter den Augen von Frontex wie Hunde in Verschlägen eingesperrt und meist ohne Verfahren wieder abgeschoben. Und der Europäische Gerichthof hat aktuell entscheiden, dass der britische Handel mit Ruanda hingenommen werden soll, abgeschobene Menschen ohne Prüfung der rechtlichen Grundlage gegen Zahlung aufzunehmen – einfach weil England sie loswerden will. Wir nehmen das nicht so hin!

    Und in Deutschland? Statt menschenwürdiger Unterkünfte werden Geflüchtete immer noch in Hangars, Zelten und Turnhallen untergebracht. Abschiebungen werden forciert. Tatsächlich arbeitet die Bundesregierung an einer Ausweitung von Abschiebungen. Unbegleitete Minderjährige werden unter jugendgefährdenden Bedingungen in Notunterkünften sich selbst überlassen. Aufnahmeprogramme für gefährdete Menschen und ihre Familien aus Afghanistan existieren nur in den Sonntagsreden der Regierungsparteien. Menschen werden – auch in der Weihnachtszeit – ohne Rücksicht auf die Situation in ein ungewisses Leben abgeschoben. Und ganz so wie im Krippenspiel bleibt alles ausgeblendet, was uns die Weihnachtsgans vermiesen könnte. Deshalb ist es Zeit, hier wenigstens eine neue Weihnachtsgeschichte zu erzählen. Weihnachtsgeschichten sind sie, weil sie jetzt unmittelbar vor Weihnachten geschehen.

    Mit menschenverachtenden Methoden und äußerster Brutalität schiebt die Polizei in Eberswalde am 12.12. einen Mann in den Tschad ab (Quelle). Nennen wir ihn ‘Josef’. Die Abschiebung wurde von der dortigen Ausländerbehörde angeordnet, die von Aktivisten als äußerst rassistisch beschrieben wird. Wer sich mit dem Thema Flucht beschäftigt, weiß, dass Rassismus ein immer wiederkehrendes Element bei Ausländerbehörden ist. Und auch bei der Polizei. Polizei und Ausländerbehörden, zwei Seiten einer Medaille, bei denen Rassismus ein strukturelles Problem ist. 12 Polizisten dringen nachts bei Josef ein, um ihn in Abschiebehaft zu nehmen. Er wird geschlagen und zu Boden gedrückt. Es heißt, Josef hätte etwas in den Bauch gespritzt bekommen. und Er verliert das Bewusstsein. Bei jeder Blutabnahme beim Hausarzt wird vorher die Gesundheit überprüft und eine Einverständniserklärung muss unterschreiben werden. Aber die Polizisten benehmen sich vor Ort wie die Folterknechte, vor denen er aus dem Tschad geflohen ist. Tatsächlich ist dieses Polizeiverhalten Folter.

    Josef wird abgeschoben. Ohne Gepäck, ohne Geld und ohne zu wissen, was er nun tun soll, findet er sich auf dem Flughafen von N’Djamena wieder. N’Djamena ist die Hauptstadt des Tschad, das Land, aus dem Josef vor neun Jahren geflohen ist. Nicht einmal Schuhe hat er. Die deutsche Polizei hat ihn praktisch im Schlafanzug ins Flugzeug gesetzt. Nach neun Jahren in Deutschland kennt er niemanden mehr im Tschad. Sein Leben fand in Deutschland statt. Sein Überleben ist schlicht gefährdet. Währenddessen werden die 12 Polizisten über Weihnachten mit ihren Familien in Deutschland Weihnachten feiern. Mit dem ganzen Programm: Lichter, Geschenke, Gemütlichkeit und Wärme – und vielleicht schauen sie sich mit ihren Kindern ein Krippenspiel an und haben warme romantische Gefühle…

    Dies ist eine wahre Geschichte. Am 22.12. fand vor der Ausländerbehörde in Eberswalde eine Kundgebung statt, um auf diesen Fall hinzuweisen. Um dies ganz deutlich zu sagen: Dies ist kein Einzelfall, nur eine typische Geschichte, die so oder so ähnlich immer wieder stattfindet. Abschiebungen geschehen in Deutschland fast täglich. Und die beschriebene Brutalität ist dabei Alltag.

    Angesichts dieser deutschen Realität ist es schwierig, die deutsche Weihnachtsgemütlichkeit ernst zu nehmen. Deutsche Weihnachten sind eiskalt – und das liegt nicht an den Außentemperaturen. Aber trotzdem bleiben wir positiv, kämpfen gegen Abschiebungen und wünschen „frohe“ Weihnachten.

    Beitragsbild von Matthias Groeneveld auf Pixabay