BLEIBERECHT FÜR ALLE – statt Chancenfalle!

Autorenname: Dorothea

Für ein Bleiberecht für Roma* aus Moldau!

Für den 31. März 2023 hatte, ein Zusammenschluss von Organisationen aus Aktivismus und Zivilgesellschaft, zusammen mit betroffenen Menschen zur gemeinsamen Demonstration für ein Bleiberecht für Roma* aus Moldau aufgerufen.

Die Demo begann um 15 Uhr mit einer Kundgebung vor der Senatsverwaltung für Inneres in der Klosterstraße Berlin Mitte und endete vor dem Roten Rathaus. Trotz strömendem Regen war die Stimmung laut und kämperisch.

Mehr Information hier: bare.berlin

Wir dokumentieren hier den Redebeitrag von Bruno Watara zu der Demo:

Mein Name ist Bruno Watara ich engagiere mich in der Kampagne Bleiberecht für alle – statt Chancenfalle!
Ich bin vor 25 Jahren aus Togo nach Deutschland geflohen und war viele Jahre selbst von Abschiebung bedroht. Liebe Roma*, Ich kann mir vorstellen wie ihr euch fühlt und möchte meine Solidarität ausdrücken.
Geflüchtete Roma und Geflüchtete aus Afrika haben vieles gemeinsam. Auch wenn unsere Fluchtgründe unterschiedlich sind, Deutschland und Europa haben eine historische Verantwortung für unsere Situation.
Deutschland und Europa fesseln Afrika seit der Kolonialzeit und bis heute und rauben es aus. Sie behindern unsere eigenständige Entwicklung mit Wirtschafts- und Freihandelsabkommen und Krediten, die afrikanische Länder in die Schuldenfalle treiben.
Deutschland und Europa haben Roma* und Sinti* jahrhundertelang verfolgt und im Nationalsozialismus sogar ermordet. Und bis heute tun sie nicht viel, um Antiziganimus, das heißt Rassismus gegen Roma* und Sinti*, zu bekämpfen.
Vor diesem Hintergrund gibt es keine fairen Asylverfahren: Ein faires Asylverfahren wäre ein Verfahren, in dem eine deutsche Behörde beweisen muss, dass Deutschland keine Mitverantwortung für unsere Fluchtgründe hat und dass es nicht Nutznießer der Situation ist, aus der wir geflohen sind. Stattdessen bekommen wir Schnellst-Asylverfahren, in denen sich Rassismus und Antiziganismus fortsetzen.
Liebe Freunde und Freundinnen, liebe Roma*,
es ist großartig, dass ihr euch wehrt. Ihr habt ein Recht darauf, hier zu sein und hier zu bleiben. Deutschland muss euch endlich für seine Verbrechen im Nationalsozialismus entschädigen. Es muss euch und allen anderen geflüchteten Roma* und Sinti* ein humanitäres Bleiberecht geben.
Dafür demonstrieren wir heute hier und ich bedanke mich bei euch, liebe Roma*, für euren Mut.
Ich wünsche euch viel Kraft für diesen Kampf.

Demonstration für ein Bleiberecht für Roma* aus Moldau!
Für ein Bleiberecht für Roma* aus Moldau!

Für den 31. März 2023 rufen wir, ein Zusammenschluss von Organisationen aus Aktivismus und Zivilgesellschaft, zusammen mit betroffenen Menschen zur gemeinsamen Demonstration für ein Bleiberecht für Roma* aus Moldau auf!

Die Protestveranstaltung beginnt 15 Uhr mit einer Kundgebung vor der Senatsverwaltung für Inneres in der Klosterstraße Berlin Mitte und wird im Anschluss zum Roten Rathaus weiterziehen.

Mehr Information hier: bare.berlin

Berlin ist seit mehreren Jahren Anlaufpunkt für geflüchtete Menschen aus Moldau, ein Großteil von ihnen sind Roma*. Am 31.03. endet der Berliner Winterabschiebestopp, unmittelbare Massenabschiebungen sind zu befürchten. Die noch amtierende Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hatte bereits Ende November letzten Jahres angekündigt, 600 Moldauer*innen abzuschieben, aktuell sind behördlicherseits über 3.000 Moldauer*innen „ausreisepflichtig“.

Das nehmen wir nicht hin! Gemeinsam mit Organisationen deutscher sowie in Deutschland lebender Roma* und Sinti* fordern wir ein Bleiberecht für Roma* aus Moldau!

Auch, weil die stark Wirtschafts- und Profitinteressen verpflichtete Migrationspolitik in Berlin und in Deutschland einerseits nicht müde wird, intensiv um ausländische Fachkräfte zu werben, zugleich Menschen in Berlin daran hindert, aktive Teilhabende an der Gesellschaft zu werden und ihr Potential zu entfalten – und diese stattdessen ausgrenzt und abschiebt.

Eine Abschiebung nach Moldau bedeutet für Roma* eine Rückkehr in existenzgefährdende Lebensumstände. Der massive Antiziganismus in der Region versperrt ihnen systematisch die Zugänge zu Arbeit, Bildung und Wohnraum. Eine grundlegende Gesundheitsversorgung wird ihnen in den meisten Fällen verweigert, erhebliche Erkrankungen zum Teil mit lebensbedrohlichen Konsequenzen sind die Folge.

Im Zuge der Pandemie und des Ukraine-Krieges hat sich die Situation für Roma* als vulnerabelste Gruppe in Moldau nochmals drastisch verschlimmert.

Moldauische Roma* werden zumeist im Land Berlin untergebracht, wo sich die in ihrem Herkunftsland erfahrene Diskriminierung in Gesellschaft, Medien und nicht zuletzt auf Ämtern sowie im Gesundheitswesen fortsetzt.

Abschiebungen nach Moldau fanden auch während der Pandemie ungehindert statt. Mit über 600 Abschiebungen 2020 und 270 im ersten Halbjahr 2021 stand Moldau als Zielstaat von Abschiebungen aus Deutschland auf Platz 5. Die Behörden handeln hierbei rigoros und mitunter gesetzwidrig: Familientrennungen, Abschiebungen von Menschen mit Behinderung und chronischen Krankheiten sind keine Seltenheit! In Schnellst-Asylverfahren werden Schutzsuchende aus Moldau zum Großteil als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt, meist in Form standardisierter Textbausteine. Klagen gegen die Ablehnung scheitern in kürzester Zeit. Dabei zeigt die Praxis, dass diejenigen, denen der erforderliche Zeit- und Bearbeitungsaufwand gewährt wird, Belege für ihre Fluchtgründe und / oder gesundheitliche Situation einzuholen, nicht selten einen Schutzstatus erhalten.

Wir fordern die sofortige Etablierung einer adäquaten Beratungsstruktur und angemessene Verfahrenskonditionen im Land Berlin, angepasst an die Lebensrealitäten und Bedürfnisse asylsuchender Roma* aus Moldau!

Deutschland muss sich endlich seiner historischen Verantwortung stellen. Im Koalitionsvertrag des noch amtierenden Berliner Senats wurde genau dies festgehalten und angekündigt, dass sich Berlin für eine bundesweite humanitäre Bleiberechtsregelung für Roma* aus Drittstaaten einsetzt, die schon länger in Deutschland leben. Passiert ist -nichts. Auch für Roma*, die bereits langfristig in Deutschland leben, ist die Situation nach wie vor unsicher.

Angesichts der jahrhundertelangen Verfolgung von Roma* und Sinti* in Europa, der ebenso langen gesetzlich fixierten Versklavung von Roma* auf dem Gebiet des heutigen Moldau, die unfassbare Vernichtung von Roma* und Sinti* im Nationalsozialismus, der manifeste nicht enden wollende Antiziganimus heute fordern wir den zukünftigen Berliner Senat auf, sich umgehend seiner Rechenschaftspflicht bewusst zu werden und entsprechend zu handeln!

Ein humanitäres Bleiberecht für Roma* aus Moldau wie für alle nach Deutschland flüchtenden Roma* ist überfällig!

Und hören wir den Roma* aus Moldau zu, die das Wort ergreifen, die deutlich sagen was sie wollen und nicht wollen, die hier sind und für Bleiberecht kämpfen!

02.04. Neubrandenburg: Austauschtreffen mit Pro Bleiberecht MV

PRO BLEIBERECHT setzt sich für die Rechte von MigrantInnen und Flüchtlingen in Mecklenburg-Vorpommern ein. Unabhängig. Basisdemokratisch. Solidarisch.

Pro Bleiberecht ist eine antirassistische Initiative, die sich Mecklenburg-Vorpommern-weit für die Rechte der Asylsuchenden einsetzt. Der Gruppe ist insbesondere daran gelegen, die Perspektiven der Asylsuchenden im öffentlichen Diskurs sichtbar zu machen und zu stärken.

In der Kampagne ‘Bleiberecht für Alle – statt Chancenfalle!’ kämpfen geflüchtete und andere Aktivist*innen zusammen gegen Gesetze, die Geflüchtete und Migrant*innen ausgrenzen. Wir beobachten die migrations- und flüchtlingspolitischen Gesetzesvorhaben der Bundesregierung und kommentieren sie aus den Perspektiven von Betroffenen und solidarischen Initiativen.
Wir fordern: Bleiberecht und echte Chancen auf ein menschenwürdiges Leben für alle!
Bruno Watara und Do Lindenberg berichten über den aktuellen Stand der Kampagne und freuen sich sehr auf den Austausch.

2. April, 13 Uhr
im Café International Neubrandenburg
Neutorstraße 7
17033 Neubrandenburg

Beitragsbild: Alea Horst, http://bleiberecht-mv.org

Le racisme dans les lois – Rassismus in Gesetzen

Aujourd’hui, Journée internationale contre le racisme, nous rappelons le racisme d’État que l’on retrouve dans le droit d’asile et de séjour et dans d’autres lois spéciales contre les migrants* et les réfugiés.

Heute, am Internationalen Tag gegen Rassismus, erinnern wir an den staatlichen Rassismus, der im Asyl- und Aufenthaltsrecht und anderen Sondergesetzen gegen Migrant*innen und Geflüchtete zu finden ist.

Exemple de la ‘Asylbewerberleistungsgesetz’ (‘loi sur les prestations aux postulants d’asile”.)

Le nom même de cette loi démasque le racisme d’État : le terme allemand ‘postulant d’asile’ désigne les réfugiés en quête de protection qui sont en ‘procédure d’asile’, c’est-à-dire les personnes dont la demande d’asile n’a pas encore fait l’objet d’une décision du BAMF. Le terme postulant d’asile’ indique clairement qu’ils doivent postuler pour l’asile comme pour un emploi, de préférence avec un CV complet, les meilleurs certificats et documents.
La AsylbLG signifie une restriction massive des droits fondamentaux des personnes en fuite qui cherchent une protection en République fédérale. La loi a introduit le principe des prestations en nature, un “travail d’intérêt général” obligatoire à 80 cents/h et des soins de santé limités pour les personnes en fuite.
Le niveau des prestations de la loi sur les prestations aux demandeurs d’asile est bien inférieur au minimum vital prévu par le droit social. Les taux réglementaires sont plus bas et les prestations en espèces sont souvent remplacées par des prestations en nature. Les personnes sont ainsi discriminées et privées de leurs droits. Les sanctions entraînent souvent des réductions supplémentaires, parfois pendant de nombreuses années. Les soins de santé limités entraînent souvent le report de traitements médicaux urgents et l’aggravation de maladies chroniques.
La loi sur les prestations aux demandeurs d’asile a été créée en 1993 dans le cadre de la limitation du droit d’asile. Elle avait pour but de dissuader les personnes en quête de protection ou de les inciter à quitter le pays grâce à des prestations sociales moins élevées et à l’octroi de prestations en nature.
Aujourd’hui, 30 ans plus tard, une large alliance réclame l’abrogation de cette loi et nous participerons également à la semaine d’action nationale – Abolir la ‘Asylbewerberleistungsgesetz’!

Beispiel ‘Asylbewerberleistungsgesetz’

Schon der Name dieses Gesetzes entlarvt staatlichen Rassismus: Mit ‘Asylbewerber’ werden schutzsuchende Geflüchtete bezeichnet, die im ‘Asylverfahren’ sind, also Menschen, über deren Asylantrag das BAMF noch nicht entschieden hat. Mit dem Begriff ‘Asylbewerber’ wird deutlich, dass sie sich um Asyl bewerben müssen wie um eine Arbeitsstelle, am besten mit lückenlosem Lebenslauf, besten Zeugnissen und Dokumenten.
Das AsylbLG bedeutet eine massive Einschränkung der Grundrechte von Menschen auf der Flucht, die in der Bundesrepublik Schutz suchen. Mit dem Gesetz wurde das Sachleistungsprinzip, verpflichtende „gemeinnützige Arbeit“ für 80 Cent/h und eine eingeschränkte Gesundheitsversorgung für Geflüchtete eingeführt.
Das Leistungsniveau des Asylbewerberleistungsgesetzes liegt weit unter dem sozialrechtlichen Existenzminimum. Die Regelsätze sind niedriger und oft werden Geldleistungen durch Sachleistungen ersetzt. Damit werden Menschen diskriminiert und entmündigt. Sanktionen führen oft zu weiteren Kürzungen, manchmal über viele Jahre. Die eingeschränkte Gesundheitsversorgung führt oft dazu, dass dringend notwendige medizinische Behandlungen verschleppt werden und chronische Krankheiten sich verschlechtern.
Entstanden ist das Asylbewerberleistungsgesetz 1993 im Zusammenhang mit der Beschränkung des Asylrechts. Es sollte mit niedrigeren Sozialleistungen und der Sachleistungsversorgung Schutzsuchende abschrecken bzw. zur Ausreise bewegen.
Heute 30 Jahre später, fordert ein breites Bündnis die Abschaffung dieses Gesetzes und auch wir werden uns an der Bundesweiten Aktionswoche – Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen! beteiligen.

L’exemple de l’interdiction de travailler

Dans son contrat de coalition, le gouvernement fédéral a promis d’améliorer la situation des demandeurs d’asile et des migrants*. De nombreux changements législatifs étaient prévus dans quatre paquets de lois au total, appelés “Migrationspakete” (paquets de migration).
Le premier “Migrationspaket” a été adopté à la fin de l’année dernière et est désormais en vigueur depuis janvier. Il existe désormais une nouvelle réglementation du droit de séjour pour les personnes avec longtemps “Duldung”. Nous critiquons cette réglementation, car de nombreuses personnes avec “Duldung”sont exclues. Vous pouvez en savoir plus sur cette réglementation ici.
Mais le gouvernement nous a promis encore plus : ils ont promis de supprimer la “Duldung light” et les interdictions de travailler. Nous n’entendons pas parler de ces modifications législatives prévues depuis des mois.
Ils ont également promis d’introduire une déclaration sur l’honneur qui permettrait à ceux qui ne peuvent pas se procurer de passeport de “clarifier leur identité”. La “clarification de l’identité” est d’ailleurs un terme complètement absurde issu de la bureaucratie allemande. Quel est le rapport entre mon identité et un passeport ou un certificat de naissance ? N’ai-je pas d’identité si je n’ai ni passeport ni acte de naissance ? En obligeant les demandeurs d’asile à se procurer n’importe quel document, de nombreux services des étrangers les harcèlent. C’est un abus de pouvoir. La loi promise, qui empêcherait cet abus de pouvoir, serait une réelle amélioration. Mais nous n’entendons pas non plus parler de cette modification législative prévue depuis des mois.
Un gouvernement ne doit-il pas tenir ses promesses ? Que devons-nous encore croire de ce gouvernement ?
Nous, les réfugiés du réseau de la campagne “BLEIBERECHT FÜR ALLE – statt Chancenfalle!”, savons que nous devons nous battre pour nos droits. C’est pourquoi, le 1er mai, jour de la fête du travail, nous porterons nos revendications dans la rue :

Abolir enfin les interdictions de travail et autres tracasseries bureaucratiques !
Beispiel Arbeitsverbote

In ihrem Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung versprochen, die Situation von Asylsuchenden und Migrant*innen zu verbessern. Geplant waren viele Gesetzesänderungen in insgesamt vier Gesetzespaketen, den sogenannten Migrationspaketen.
Das erste Migrationspaket wurde Ende letzten Jahres verabschiedet und ist jetzt seit Januar in Kraft. Es gibt nun eine Bleiberechtsregelung für langjährig Geduldete. Wir kritisieren diese Regelung, weil viele Geduldete davon ausgeschlossen sind. Mehr über diese Bleiberechtsregelung könnt ihr hier nachlesen.
Die Regierung hat uns aber noch mehr versprochen: Sie haben zugesagt, die “Duldung light” und Arbeitsverbote abzuschaffen. Von diesen geplanten Gesetzesänderungen hören wir seit Monaten nichts.
Sie haben auch versprochen, eine eidesstattliche Versicherung einzuführen, mit der diejenigen, die keinen Pass besorgen können, ihre “Identität klären” können. “Identitätsklärung” ist übrigens ein komplett absurder Begriff aus der deutschen Bürokratie. Was hat meine Identität mit einem Pass zu tun oder mit einer Geburtsurkunde? Habe ich keine Identität, wenn ich keinen Pass und keine Geburtsurkunde habe? Mit der Verpflichtung, irgendwelche Dokumente zu besorgen, schikanieren viele Ausländerbehörden Asylsuchende. Das ist Machtmissbrauch. Das versprochene Gesetz, das diesen Machtmissbrauch verhindern würde, wäre eine wirkliche Verbesserung. Aber auch von dieser geplanten Gesetzesänderung hören wir seit Monaten nichts.
Muss eine Regierung sich nicht an ihre Versprechen halten? Was sollen wir dieser Regierung noch glauben?
Wir, die Flüchtlinge im Netzwerk der Kampagne Bleiberecht für Alle – statt Chancenfalle! wissen, wir müssen für unsere Rechte kämpfen. Wir werden deshalb am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, unsere Forderungen auf die Straße tragen:

Arbeitsverbote und andere bürokratische Schikanen endlich abschaffen!

Bruno Watara

Nous nous réjouissons de toute personne* qui souhaite soutenir nos actions. Envoyez-nous simplement un message !

Wir freuen uns über jede*n, die/der unsere Aktionen unterstützen will. Schickt uns einfach eine Nachricht!

    Beitragsbild: 30.03.2021: Geflüchtete in Brandenburg an den Havel demonstrieren für ihre Rechte. 

    Intersektionaler Feminismus

    Foto vom Women’s March 19.01.2019 in Berlin, 3 junge (weiße) Frauen* tragen gemeinsam ein Schild mit der Aufschrift: intersectional feminism is the only feminism (Intersektionaler Feminismus ist der einzige Feminismus)

    Das deutsche Asyl- und Aufenthaltsrecht ist durchzogen von struktureller Gewalt, z.B. Arbeitsverboten und der Verpflichtung in Sammelunterkünften zu leben.

    Feminist*innen und Menschenrechtsorganisationen werden noch viel zu tun haben, deutlich zu machen, dass diese strukturelle Gewalt genderspezifische Aspekte hat. Zum 8. März, dem internationalen Frauenkampftag, möchten wir dazu beitragen und an einigen Beispielen aufzeigen, wie sich Rassismus und Sexismus verschränken.

    1. das sogenannte ‘Chancen-Aufenthaltsrecht’

    Menschen, die am Stichtag 31.10.2021 bereits fünf Jahre lang in Duldung gelebt haben, sollen für 18 Monate eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Wenn sie es schaffen innerhalb der 18 Monate Deutschkenntnisse nachzuweisen, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen und ihre “Identität” mit Dokumenten zu belegen, können sie danach in in andere Aufenthaltsregelungen wechseln.

    Die Hürden für die Verfestigung des Aufenthaltsrechts nach den 18 Monaten sind insbesondere für Frauen* hoch.

    Das Gesetz sieht zwar einige Ausnahmen von der Erfordernis vor, den Lebensunterhalt überwiegend selbst zu sichern, z. B. für Alleinerziehende mit Kleinkindern oder für Menschen, die pflegebedürftige nahe Angehörige pflegen.  Aber diese Ausnahmen reichen nicht. Denn ansonsten werden in den Bleiberegelungen die besonderen Lebensrealitäten von Frauen* weitgehen ignoriert:

    Die Bedingungen sind an der Verwertbarkeit von Menschen auf dem deutschen Arbeitsmarkt orientiert. Aber geflüchtete Frauen* sind auf dem Arbeitsmarkt als Migrant*innen und als Frauen* doppelt benachteiligt und haben es viel schwerer eine existenzsicherde Arbeit zu finden. Außerdem sind Migrant*innen am Arbeitsplatz oft Rassismus, rassistischen Angriffen und sexistischen Übergriffen ausgesetzt. Wird erwartet, dass sie das stillschweigend hinnehmen, um ihren Arbeitsplatz nicht zu verlieren?

    Die Leistungen von Frauen*, die in einem zweisprachigen Umfeld Kinder erziehen werden nicht als “Integrationsleistung” anerkannt. Denn Carearbeit zählt nicht: Für eine gesunde und liebevolle häusliche Umgebung sorgen, die Mängel des deutschen Schulsystems mit Betreung zuhause abfedern und ausgleichen müssen, Kommunikation mit Kitas und Schulen…

    Die Anforderung “mündliche Sprachkenntnisse auf A 2 Niveau” vorweisen zu können, grenzt bildungsbenachteilgte Frauen aus oder liefert sie der Behördenwillkür aus.

    Sie können ihre Deutschkenntnisse beweisen, indem sie “bei der Ausländerbehörde Gespräche mit den dortigen Bediensteten erfolgreich führen konnten, ohne hierfür jemanden zu brauchen, der das Gesagte übersetzt”(Quelle) Eine absurde Vorstellung: Das würde nur funktionieren, wenn die Mitarbeiter*innen der Ausländerbehörde auf A 2 Niveuau kommunizieren würden.

    Oder sie sollen ihre Deutschkenntnisse beweisen, indem sie ein Prüfungszertifikat nach Abschluss eines Deutschkurses vorlegen. Bisher waren viele Asylsuchende und Geduldete weitgehend von Deutschkursen ausgeschlossen, erst jetzt mit dem ‘Chancen-Aufenthaltsrecht’ haben sie Zugang zu Integrationskursen.

    Da es keine Deutschkurse gibt, die nur “mündliche Sprachkenntnisse” vermitteln, müssen Frauen, die in ihrem Herkunftsland keine Schule besuchen konnten, z. B. einen Integrationskurs mit Alphabetisierung besuchen. Laut Aussagen des BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge), kann es bis zu 1200 Unterrichtstunden dauern, bis sie damit auf A 2 Niveau sind. Bei 20 Unterrichtsstunden pro Woche sind das 60 Wochen: Ferien, Feiertage und vor allem Wartezeiten auf einen passenden Kurs werden dazu führen, dass viele dieses Ziel nicht innerhalb von 18 Monaten erreichen können.

    2. Mangelnde Umsetzung der Instanbul-Konvention

    Mit dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (kurz: Istanbul-Konvention) hat sich der deutsche Staat dazu verpflichtet, Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu bekämpfen, zu verfolgen und Mädchen und Frauen nachhaltig zu schützen.

    Artikel 59 der Konvention legt fest, dass Opfer von Gewalt, deren Aufenthaltsstatus vom Aufenthaltsstatus de*r Ehegatt*in abhängt, im Fall der Auflösung der Ehe oder der Beziehung „bei besonders schwierigen Umständen auf Antrag einen eigenständigen Aufenthaltstitel unabhängig von der Dauer der Ehe“ erhalten.

    Die aktuelle Bundesregierung ist der Meinung, dass Deutschland Artikel 59 ausreichend umsetze: „Die persönliche Situation der Opfer wird bei jeder aufenthaltsrechtlichen Prüfung berücksichtigt“, behauptet das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSJ, 28.10.2022).

    Fachorganisationen sehen das anders: §31 des Aufenthaltsgesetzes sorgt dafür, dass Frauen, die nicht mehr mit ihrem Ehegatten zusammenleben wollen, Angst um ihre Aufenthaltserlaubnis haben müssen, wenn die Ehe seit weniger als drei Jahren besteht. „Dadurch fehlt es Frauen nicht nur an Schutz, sondern sie sind aufgrund bestehender Gesetze gezwungen, mit Gewalt und Missbrauch zu leben, weil sonst eine Abschiebung drohen kann“, sagt Dr. Atmaca vom Bündnis Istanbul-Konvention.

    Wenn die Bundesregierung die Istanbul-Konvention umsetzen und Frauen vor Gewalt schützen will, muss sie das Aufenthaltsrecht von Ehegatt*innen reformieren. Wir brauchen ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für Ehegatt*innen vom ersten Tag an.

    Feminist*innen und Menschenrechtsorganisationen werden also noch viel zu tun haben, die tatsächliche Umsetzung des Artikel 59 der Istanbul-Konvention einzufordern.

    3. Ignoranz gegenüber geschlechtsspezifischer Verfolgung

    In Afghanistan schränken die Taliban die Rechte von Frauen* und Mädchen immer weiter ein. Frauen* müssen sich Kleidungsvorschriften beugen, dürfen keine Schulen und Universitäten besuchen, keine Sport machen, keine öffentlich sichtbaren Berufe mehr ausüben, nicht ohne Begleitung eines Mannes weiter als 72 Kilometer reisen, Frauen* werden gefoltert, geschlagen und gesteinigt.

    Die Asylagentur der Europäischen Union (EUAA) hat deshalb im Januar ihre Länder-Richtlinie für Afghanistan aktualisiert. Die EU-Agentur geht davon aus, dass „Frauen und Mädchen allgemein von Verfolgung bedroht sind und daher Anspruch auf einen Flüchtlingsstatus haben“.

    Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sah das im Jahr 2022 anders: Nur rund 29 Prozent der schutzsuchenden Frauen* aus Afhanistan wurden als Flüchtlinge oder Asylberechtigte anerkannt. Die anderen erhielten einen prekäreren Aufenthaltstitel: 7 Prozent bekamen den subsidiären Schutz, fast 64 Prozent nur ein Abschiebungsverbot. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat sieht auch keinen Anlass diese Entscheidungspraxis deutlich zu verändern (Quelle).

    Mit diesen Aufenthaltstiteln haben geflüchtete Frauen aus Afghanistan einen eingeschränkten Zugang zu Ausbildungen und eigenschränkte oder fast keine Möglichkeiten zum Familiennachzug. Mit anderen Worten: Ihre Entrechtung wird fortgesetzt.

     

    Beitragsbild: Women’s March 19.01.2019 Berlin

    Appell zur Solidarität mit Asylsuchenden

    Am Dienstag, den 07. März 2023 demonstrieren wir gemeinsam mit unserem Netzwerkpartner ‘Barnim für alle’ vor der Ausländerbehörde in Eberswalde.

    Hier der Aufruf von ‘Barnim für alle’:

    Wir laden Sie herzlich ein, sich uns anzuschließen und Ihre Stimme gegen die unmenschliche Abschiebung von Asylsuchenden in Deutschland und die Isolation, die sie erfahren, zu erheben. Zusammen können wir ein Zeichen setzen und unsere Solidarität mit den Menschen zeigen, die in unserer Gesellschaft oft vergessen werden.

    Wir sind empört über die menschenunwürdigen Zustände, denen Asylsuchende in Deutschland ausgesetzt sind. Die Ausländerbehörde und andere Behörden setzen Asylsuchende unter Druck, indem sie sie in Lagern und Gemeinschaftsunterkünften unterbringen, die oft überbelegt, schlecht ausgestattet und in schlechtem Zustand sind. Diese Isolation macht es ihnen schwer, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, Arbeit zu finden und sich in die Gesellschaft zu integrieren.

    Wir sind auch entsetzt über die unmenschliche Praxis der Abschiebung von Asylsuchenden, die oft in Ländern landen, in denen sie politischer Verfolgung, Folter oder gar Tod ausgesetzt sind. Wir glauben, dass alle Menschen das Recht auf ein Leben in Würde und Freiheit haben und dass niemand in eine solch lebensbedrohliche Situation gezwungen werden sollte.

    Wir fordern die Behörden auf, Asylsuchende nicht länger in Lagern und Gemeinschaftsunterkünften zu isolieren und die unmenschliche Praxis der Abschiebung zu beenden. Wir fordern auch eine Reform des Asylsystems, um Asylsuchenden eine angemessene Unterstützung und Schutz zu gewährleisten.

    Kommt und zeigt Eure Solidarität mit Asylsuchenden in Deutschland! Zusammen können wir eine starke Botschaft an die Behörden senden und uns für die Menschenrechte einsetzen.

    Datum: 7.3.2023
    Uhrzeit: 16:00-17.30
    Ort: Ausländerbehörde Eberswalde Pfeilstr-1 Goethe Str

    Die Gipfel der Heuchelei

    Eine Woche nach dem Migrationsgipfel der EU, bei dem mehr Geld für Abschottung und Abschreckung, schnellere Abschiebungen und Asylverfahren an den Außengrenzen beschlossen wurden, empfängt Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Donnerstag die Innenminister*innen der Länder und Vertreter*innen der kommunalen Spitzenverbände (das sind die drei bedeutendsten kommunalpolitischen Interessensverbänden Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag und Deutscher Städte- und Gemeindebund) beim „Flüchtlingsgipfel“.

    Wieder einmal werden Geflüchtete medial als Problem inszeniert, für das nur Abschottung die Lösung zu sein scheint.

    Seit Wochen wird berichtet, dass die Kommunen „am Limit“ seien. Vordergründig wird um Geld verhandelt: Länder und Kommunen wollen mehr Geld vom Bund. Aber was mitschwingt sind altbekannte Rufe nach einem noch härteren und brutaleren Grenzregime.
    Der „Druck“ auf die Kommunen sei enorm, so beispielsweise der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) der die Gelegenheit nutzt, um eine bessere „Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung“ zu fordern (Quelle). Bayerns Ministerpräsident Söder (CSU) fordert, dass es keine zusätzlichen Aufnahmeprogramme für Geflüchtete mehr geben solle sowie „die angekündigte Rückführoffensive sofort umgesetzt“ werde. Und auch für Bundesfinanzminister Lindner (FDP) ginge es bei dem Flüchtlingsgipfel vor allem darum, dafür zu sorgen, „dass nicht Deutschland der bevorzugte Ort für Geflüchtete in Europa ist“ (Quelle).

    Dabei liegen Lösungen für die Probleme auf der Hand, werden aber kaum in die Debatte gebracht.

    2022 hat die Bundesregierung für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine mit ukrainischem Pass die sogenannte Massenzustromrichtlinie aktiviert, was den Menschen den sofortigen Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Leistungen des Jobcenters und zu privaten Wohnungen ermöglichte.

    70% der ukrainischen Schutzsuchenden wohnen in privaten Wohnungen (Quelle), da sie nicht verpflichtet sind, in Gemeinschaftsunterkünften zu leben und ihren Wohnort frei wählen können. Das macht es möglich, dorthin zu gehen, wo persönliche Netzwerke schon existieren, Aussichten auf eine Wohnung oder eine Arbeitsstelle bestehen, oder viel Unterstützung aus der Zivilgesellschaft angeboten wird. Auch werden einige Berufsabschlüsse einfacher anerkannt.
    Andere Asylsuchende hingegen werden zwangsumverteilt und kaserniert. Sie können nicht selbst entscheiden, wo sie leben wollen. Selbst wenn sie bei Freund*innen oder Verwandten wohnen könnten, werden sie auf Basis der Königsteiner Schlüssels in irgendwelche Regionen geschickt, dort in Landesaufnahmeeinrichtungen zusammengepfercht und dann willkürlich auf Lager in Kommunen verteilt. Schutzsuchende aus angeblich „sicheren Herkunftsstaaten“ müssen sogar bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens – und bei Ablehnung bis zur Abschiebung – in Erstaufnahmeeinrichtungen leben und sind von gesellschaftlicher Teilhabe fast gänzlich ausgeschlossen.

    Wir fordern deshalb:
    • Die Wohnverpflichtung in Aufnahmeeinrichtungen und Wohnsitzauflagen müssen abgeschafft werden. Die freie Wahl des Wohnorts sowie der Zugang zu Privatwohnungen muss allen Geflüchteten ermöglicht werden.
    • Alle Menschen sollen arbeiten und eine Ausbildung machen dürfen. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag versprochen, die Arbeits- und Ausbildungsverbote abzuschaffen. Davon ist aber in der aktuellen Debatte keine Rede mehr. Wenn Menschen verboten wird, zu arbeiten und selbstständig ihren Lebensunterhalt zu sichern, macht das die gesellschaftliche Teilhabe unmöglich. Der Zugang zum Arbeitsmarkt würde außerdem der Neiddebatte von rechts endlich das Wasser abgraben.
    Menschenrechte und ein bedingungsloses Bleiberecht für Alle!

    Die Instanbul-Konvention umsetzen!

    Deutschland erneuert die Vorbehalte gegen die Istanbul-Konvention nicht – und feiert sich dafür.

    Anstatt sich selbst zu applaudieren, sollte die Bundesregierung das Aufenthaltsrecht von Ehegatt*innen reformieren, um Frauen mit Flucht- und Migrationsgeschichte besser vor Gewalt zu schützen.

    Was ist die Istanbul-Konvention?

    Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen1 und häuslicher Gewalt (kurz: Istanbul-Konvention) ist ein völkerrechtlich bindendes Regelwerk zur umfassenden Bekämpfung von Gewalt an Frauen und Mädchen. Staaten, die die Konvention unterzeichnet haben, verpflichten sich, die in der Istanbul-Konvention vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen und ihre nationale Gesetzgebung an sie anzupassen.

    Die Konvention wurde am 11. Mai 2011 in Istanbul verabschiedet und ist zum 1. Februar 2018 in Deutschland in Kraft getreten. Damit hat sich der deutsche Staat dazu verpflichtet, Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu bekämpfen, zu verfolgen und Mädchen und Frauen nachhaltig zu schützen.

    Unter Vorbehalt: Bisher hatte die Bundesregierung Vorbehalte gegen Artikel 59 der Konvention, in dem die Verpflichtung festgeschrieben ist, auch Frauen mit prekärem Aufenthaltsstatus vor Gewalt zu schützen. Damit war Deutschland bisher nicht zur vollständigen Umsetzung von Artikel 59 verpflichtet.

    Artikel 59 legt fest, dass Opfer von Gewalt, deren Aufenthaltsstatus vom Aufenthaltsstatus de*r Ehegatt*in abhängt, im Fall der Auflösung der Ehe oder der Beziehung „bei besonders schwierigen Umständen auf Antrag einen eigenständigen Aufenthaltstitel unabhängig von der Dauer der Ehe“ erhalten (Im Original als pdf).

    Diese Vorbehalte laufen nun fünf Jahre nach Einlegung automatisch aus, wenn der Staat sie nicht ausdrücklich gegenüber dem Europarat verlängert und dies begründet. Da die Bundesregierung die Vorbehalte nicht aufrechterhalten hat, gilt die Konvention seit heute uneingeschränkt auch in Deutschland.

    Was bedeutet das konkret?

    Zunächst einmal gar nichts. Denn die aktuelle Bundesregierung ist der Meinung, dass Deutschland Artikel 59 bereits jetzt vollständig umsetze: „Die persönliche Situation der Opfer wird bei jeder aufenthaltsrechtlichen Prüfung berücksichtigt“, behauptet das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSJ, 28.10.2022).

    Fachorganisationen sehen das anders: §31 des Aufenthaltsgesetzes sorgt dafür, dass Frauen, die nicht mehr mit ihrem Ehegatten zusammenleben wollen, Angst um ihre Aufenthaltserlaubnis haben müssen, wenn die Ehe seit weniger als drei Jahren besteht. „Dadurch fehlt es Frauen nicht nur an Schutz, sondern sie sind aufgrund bestehender Gesetze gezwungen, mit Gewalt und Missbrauch zu leben, weil sonst eine Abschiebung drohen kann“, sagt Dr. Atmaca vom Bündnis Istanbul-Konvention.

    Wenn die Bundesregierung die Istanbul-Konvention umsetzen und Frauen vor Gewalt schützen will, muss sie das Aufenthaltsrecht von Ehegatt*innen reformieren. Wir brauchen ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für Ehegatt*innen vom ersten Tag an.

    Feminist*innen und Menschenrechtsorganisationen werden also noch viel zu tun haben, die tatsächliche Umsetzung des Artikel 59 der Istanbul-Konvention einzufordern.

    Auch darüber hinaus stehen noch viele Maßnahmen zur Umsetzung der Konvention aus:

    Es fehlen beispielsweise

    • „ein nationaler strategischer Rahmen sowie bundesweite Ziele zur Umsetzung der Konvention, die die Rechte der Opfer in den Mittelpunkt stellen“(AWO  31.01.2023)

    • eine bundesgesetzliche Grundlage, die das Recht auf Schutz, Beratung und Hilfe bei geschlechtsspezifischer bzw. häuslicher Gewalt gegen Frauen und Mädchen garantiert,

    • rund 15.000 Familienplätze in Frauenhäusern,

    • spezifischen Angebote für Frauen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen, für wohnungslose Frauen und für Asylsuchende.

    Aber das reicht uns nicht.

    Die Istanbul-Konvention bezieht sich auf Gewalt gegen Frauen und Mädchen, die vom Ehemann oder Beziehungspartner ausgeht. Als Menschenrechtsaktivist*innen haben wir auch die Gewalt im Blick, die vom Staat ausgeht. Ohne Zweifel sind Abschiebungen Gewalt. Das Asyl- und Aufenthaltsrecht ist durchzogen von struktureller Gewalt, z.B. Arbeitsverboten und der Verpflichtung in Sammelunterkünften zu leben. Feminist*innen und Menschenrechtsorganisationen werden noch viel zu tun haben, deutlich zu machen, dass auch diese strukturelle Gewalt genderspezifische Aspekte hat. 

    Unsere Forderung:

    Menschenrechte und eine sichere Bleibeperspektive für Alle.

    Beitragsbild: Demo von Women in Exile & Friends am 07.03.2015 in Potsdam

    1 Die Instanbul-Konvention bezieht sich tatsächlich auf Frauen ohne Sternchen. Um den Kontext richtig wieder zu geben, verzichten wir deshalb in diesem Artikel ebenfalls auf gendersensible Sprache.

    Am 19. Februar dieses Jahres jährt sich zum dritten Mal der rechtsterroristische Anschlag in Hanau.

    Vor drei Jahren wurden Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar, Kaloyan Velkov kaltblütig ermordet.

    Noch immer wurde weder nach dem Ruf nach Aufklärung und Konsequenzen nachgegangen, noch aktiv etwas unternommen, dass sich diese Tat nicht wiederholt.
    Es sind nun drei Jahre vergangen und noch immer gibt es keine Aufklärung des unbegreiflichen Polizeieinsatzes, der Ermittlungsfehler, nicht funktionierende Notrufleitungen, nicht verwendete Zeugenaussagen und das explizite Versagen der hessischen Polizei auch in Bezug auf den NSU 2.0

    Umso wichtiger ist es deshalb, dass WIR als antirassistische Initiativen und Antirassist:innen um die Aufklärung kämpfen.

    Deshalb rufen wir euch alle zu unserer Kundgebung am 19.2. um 14 Uhr auf dem Oranienplatz auf!

    Kommt zahlreich, seid dabei und lasst uns ein lautes Zeichen setzen!
    Aufruf  der Initiative 19. Februar Hanau zum dritten Jahrestag am 19.02.2023

    3 Jahre nach dem rassistischen Anschlag in Hanau: Wir trauern und erinnern.

    Es sind 1065 Tage vergangen. 1065 Tage – das sind 2 Jahre und 11 Monate. Tage, die wir zählen, seitdem wir Ferhat, Hamza, Said Nesar, Vili Viorel, Mercedes, Kaloyan, Fatih, Sedat und Gökhan verloren haben durch einen rassistischen Mörder.

    Jahre, Monate und Tage vergehen, aber der Schmerz wächst weiter.

    Der 19. Februar 2020 –  an jenem Tag wurden unsere Liebsten auf brutale Weise aus unserem Leben gerissen. Die Wunden, die dieser Tag in uns hinterlassen hat, verheilen nicht. Jahre, Monate und Tage werden vergehen –  der Schmerz bleibt.

    Seit dem 19. Februar 2020 wissen wir auch, dass unsere Liebsten nicht nur ein Teil unseres Leben waren. Im ganzen Land zeigten sich die Menschen mit ihnen verbunden. Sie gaben etwas ab von ihrer Zeit, ihrem Leben, ihren Ideen und ihrer Kraft, um die Trauer und die Wut gemeinsam zu tragen und die Erinnerung lebendig zu halten.

    Wir haben versprochen, dass wir keine Ruhe geben werden. Seit drei Jahren tragen wir eure Namen überall hin.

    Wir erzählen eure Geschichten, klagen über das was passiert ist, das was nicht gesagt wird und das was nicht verhindert wurde.

    In diesen drei Jahren haben wir mit allen politisch Verantwortlichen gesprochen. Wir waren in Frankfurt, in Wiesbaden, in Berlin. Wir sind auf offene Türen und Ohren gestoßen. Aber nicht auf offene Herzen.

    Uns wurde Gerechtigkeit versprochen. Und doch müssen wir auch zum dritten Jahrestag weiterhin nach Konsequenzen fragen, die es immer noch nicht gibt. Der Untersuchungsausschuss, der unsere Fragen beantworten sollte, wird seinem Auftrag nicht gerecht. Wir fragen uns, wie lange wollen hessische Sicherheitsbehörden noch vertuschen, wie lange noch schweigen, wie lange noch ignorieren?

    Heute, fast drei Jahre später, wissen wir: die Grenze der Gerechtigkeit heißt Konsequenzen.

    Ein Mahnmal auf dem Marktplatz gibt es bis heute nicht, wir kämpfen weiterhin darum, dass es ein Mahnmal auf dem Marktplatz gibt.

    Wir haben selbst recherchiert und aufgeklärt und unsere gemeinsame Ausstellung mit Forensis wird ab dem 1. Februar bis zum 18. März im Hanauer Rathaus sein.

    Am Jahrestag am 19.02.2023  werden wir in Hanau, Offenbach und Dietzenbach auf den Friedhöfen im Stillen gedenken. Am Marktplatz wird es das offizielle Gedenken geben. Wir werden zusammen mit dem Hanauer Jugendbündnis ab 16 Uhr demonstrieren. Ab 21:30 Uhr versammeln wir uns mit euch an den Tatorten am Heumarkt und in Kesselstadt, um nicht alleine zu bleiben.

    Wir fordern euch für den 19. Februar wieder dazu auf, an unserer Seite zu stehen. Organisiert auf den Straßen und Plätzen eurer Städte und Dörfer Kundgebungen, Demonstrationen, Gedenkaktionen. Erinnern heißt verändern.

    Hanau, den 19. Januar 2023

    22.01.23 Aufruf der geflüchteten Freund*innen von Zoumana

     

    English below // francais ci-dessous

    ‼️ KUNDGEBUNG GEGEN ABSCHIEBUNG ÜBERMORGEN IN BERNBURG ‼️

    Die Ausländerbehörde Bernburg will unseren Freund Zoumana in der nächsten Woche abschieben. Dagegen stehen wir auf!

    Wo? Friedensallee 25, 06406, Bernburg (Saale)
    Wann? Am Dienstag dem 24. Januar 2023

    Gemeinsame Anreise aus Berlin: Treffpunkt 11h Berlin Hauptbahnhof Gleis 14 für die RE7 nach Dessau (Abfahrt 11h14)

    Wir werden dieser menschenverachtenden Behörde nicht in Ruhe lassen, solange sie Zoumana nicht befreien. Kommt mit uns am Dienstag nach Bernburg!

    Hier die Petition mit mehr Infos: https://www.openpetition.de/petition/online/zoumana-braucht-hilfe

    Abschiebung ist Folter, Abschiebung ist Mord!
    Solidarität ist unsere Waffe!
    #FreeZoumana


    ‼️ RALLY AGAINST DEPORTATION THE DAY AFTER TOMORROW IN BERNBURG ‼️

    The foreigners authority in Bernburg wants to deport our friend Zoumana next week. We stand up against this!

    Where? Friedensallee 25, 06406, Bernburg (Saale)
    When? On Tuesday the 24th of January 2023

    Common journey from Berlin: Meeting point 11am Berlin main station platform 14 for the RE7 to Dessau (departure 11h14).

    We will not leave this inhuman authority in peace as long as they do not free Zoumana. Come with us on Tuesday to Bernburg!

    Here the petition with more info: https://www.openpetition.de/petition/online/zoumana-braucht-hilfe

    Deportation is torture, deportation is murder!
    Solidarity is our weapon!
    #FreeZoumana


    ‼️ RASSEMBLEMENT POUR STOPPER UNE EXPULSION APRÈS-DEMAIN À BERNBURG ‼️

    L’autorité des étrangers à Bernburg veut expulser notre ami Zoumana la semaine prochaine. Nous n‘allons pas la laisser faire ! Ensemble luttons !

    Où ? Friedensallee 25, 06406, Bernburg (Saale)
    Quand ? Le mardi 24 janvier 2023

    Voyager ensemble depuis Berlin : Rendez-vous à 11h à la gare centrale de Berlin, quai 14, pour le RE7 en direction de Dessau (départ 11h14).

    Nous ne laisserons pas cette autorité inhumaine tranquille tant qu’elle ne libérera pas Zoumana. Venez avec nous mardi à Bernburg !

    Voici la pétition avec plus d’informations : https://www.openpetition.de/petition/online/zoumana-braucht-hilfe

    La déportation est une torture, la déportation est un meurtre !
    La solidarité est notre arme !
    #FreeZoumana


    Beitragsbild: Demo “Der Ausländerbehörde Menschenrechte beibringen” am 30.11.2022 in Bernburg