Die geplante Aushöhlung des Asylrechts
Über 300 Kommunen haben sich seit 2018 zu “sicheren Häfen” erklärt und damit deutlich gemacht, dass sie wären bereit, mehr Menschen aufzunehmen. Bekanntlich ist aber zusätzliche finanzielle Unterstützung vom Bund für die Kommunen dringend nötig.
Um Lösungen zur finanziellen Entlastung der Kommunen zu diskutieren, trafen sich Bund, Länder und Kommunen am 10. Mai zum sogenannten „Flüchtlingsgipfel“.
Ergebnisse dieses Treffens sind jedoch Pläne für massive asyl- und aufenthaltsrechtliche Verschärfungen.
Dabei gibt es zahlreiche Vorschläge, um die Probleme bei der Unterbringung zu lösen.
So würde die Abkehr von der Wohnpflicht in Erstaufnahmeeinrichtungen und der Wohnsitzauflage, d.h. eine freie Wahl des Wohnorts sowie die Unterstützung bei selbstständiger Wohnungssuche die Kommunen und Notunterkünfte entlasten. Geflüchtete mit ukrainischem Pass können sich bereits selbst aussuchen, wo sie leben wollen. Die freie Wahl des Wohnorts muss allen Geflüchteten ermöglicht werden. Eine weitere essenzielle Forderung ist die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Das Gesetz belegt Geflüchtete im Asylverfahren und mit Duldung unter anderem mit einem Arbeitsverbot. Sie werden damit in die Abhängigkeit staatlicher Leistungen gedrängt, die unter dem Existenzminimum liegen und es wird ihnen unmöglich gemacht, eigenes Einkommen für eine selbständige Unterbringung zu erwirtschaften. Außerdem müssen die Kommunen finanziell angemessen unterstützt werden, um eine sichere Aufnahme, menschenrechtsorientierte Unterbringung und ein zukunftsorientiertes Ankommen von Geflüchteten zu ermöglichen.
Statt gemeinsam humane und gerechte Lösungen zu suchen, entscheidet sich die Ampel-Koalition jedoch für die Bekämpfung von Geflüchteten.
Nur 1 Mrd. Euro wurden beim Flüchtlingsgipfel versprochen. Zum Vergleich – für die Bundeswehr wurden rund 8,4 Mrd. Euro zusätzlich für „notwendige Investitionen“ bereitgestellt. Dafür macht sich die Bunderegierung stark für mehr Abschottung und für sogenannte „Rückführungen“, wie Abschiebungen nun genannt werden. So sollen unter anderem „Migrationspartnerschaften“ mit Herkunftsländern ausgebaut werden, damit diese „bei der Rückübernahme ihrer Staatsangehörigen“ kooperieren (Beschluss zur Gemeinsamen Flüchtlingspolitik von Bund und Ländern, S. 4) Die Regierung setzt auf „Grenzschutz“, Mitgliedsstaaten der EU sollen „beim Ausbau von Grenzschutzkapazitäten und Grenzschutzinfrastruktur, Mitteln für die Überwachung und Ausrüstung“ unterstützt werden (ebd., S. 6). Auch will sie sich dafür einsetzen, dass „sämtliche aktuelle Reformvorschläge zur europäischen Asyl- und Migrationspolitik (inkl. Screening, Eurodac, Asylgrenzverfahren, Sichere-Staaten-Konzepte, Dublin-Reform, Solidaritätsmechanismus) bis Ende der Legislaturperiode des Europäischen Parlaments“ verabschiedet werden (ebd.). Grenzkontrollen an den EU-Binnengrenzen zu Deutschland sowie Schleierfahndung will die Bundesregierung ausweiten (ebd., S. 7).
Geflüchtete sollen weiterhin über die festgelegten Quoten des Königssteiner Schlüssels auf die Bundesländer verteilt werden. Unterstützt werden sollen die Kommunen durch mietfreie Bereitstellung von Liegenschaften des Bundes und einer Erleichterung von bau- und vergaberechtlichen Regelungen für Unterkünfte, soziale Einrichtungen, Schulen und Kitas (ebd., S. 11).
Schwerpunkt des Beschlusses von Bund und Ländern liegt auf einem „effektiven Rückführungsmanagement“ zur Entlastung von Ländern und Kommunen (ebd., S. 12). Die Abschiebehaft soll unabhängig von Asylantragsstellungen möglich sein. Ein Verstoß gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote wird als „eigenständiger Haftgrund“, unabhängig davon, ob „Fluchtgefahr“ bestehe, geregelt (ebd., S. 14). Die Formulierung lässt vermuten, dass nun allein bei Vorwurf der „illegalen“ Einreise bzw. des „illegalen“ Aufenthalts Menschen in Abschiebehaft genommen werden können. Die Abschiebehaft soll außerdem von 10 auf 28 Tage ausgeweitet werden. Den Behörden soll ein Beschwerderecht eingeräumt werden, wenn der Abschiebehaftantrag abgelehnt wird. Außerdem soll es den Behörden ermöglicht werden, auch andere Räumlichkeiten als das Zimmer des Betroffenen in einer Gemeinschaftsunterkunft betreten zu können. Gesetzlich festgelegt werden soll auch, dass Widerspruch und Klage gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote keine aufschiebende Wirkung mehr haben. Somit sollen Abschiebungen auch dann möglich werden, wenn Widerspruchs- oder Klageverfahren noch laufen. Weiterhin ermöglicht werden soll auch das „frühzeitige Auslesen von Mobiltelefonen zur Identitätsklärung einer Person“ (ebd.).
Diese Pläne bedeuten faktisch eine Aushöhlung des Asylrechts. Dabei beruft sich die Bundesregierung immer wieder auf das Narrativ der großen Anzahl der „Ausreisepflichtigen“. Tatsächlich erhält der Großteil der schutzsuchenden Menschen einen Aufenthaltstitel ( pro-asyl-faktencheck), und von den Ausreisepflichtigen wiederum sind viele aus humanitären, gesundheitlichen oder familiären Gründen geduldet und somit ist die Abschiebung ausgesetzt (ebd.). Auch das Vorhaben, die Möglichkeiten der Abschiebehaft auszuweiten, stellt einen massiven Eingriff in die Grundrechte der Menschen dar. So ist strittig, ob diese mit der Verfassung und mit Europarecht vereinbar ist. Dazu kommt, dass in den vergangenen Jahren ca. 50% der Fälle von Abschiebehaft rechtswidrig waren. Auch die geplanten Ausweitungen der Grenzkontrollen sind rechtlich fragwürdig. Europa- und völkerrechtlich ist verboten, Menschen, die ein Asylgesuch äußern, an der Grenze abzuweisen. Welcher Staat für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig ist, wird nach Kriterien der Dublin-III-Verordnung ermittelt. Durch die Grenzkontrollen kann man jedoch davon ausgehen, dass die Zahl der rechtswidrigen Zurückweisungen an den deutschen Grenzen weiter zunehmen wird.
Diese Beschlüsse würden die Abkehr vom rechtsstaatlichen Asylverfahren – das jedem Menschen individuell zusteht – bedeuten. Die Erfahrungen des “EU-Türkei-Deals” zeigen, dass Abschottung nicht zu geringeren Zahlen an schutzsuchenden Menschen, sondern zu Haftzentren und Massencamps wie Moria und zu mehr Elend und Tod führen.
Inzwischen sprechen Politiker wie Jens Spahn (CDU) sogar für die Abschaffung der Genfer Flüchtlingskonvention und die Menschenrechtskonvention – ein weiteres Beispiel dafür, wie sich der Diskurs weiter nach rechts verschiebt. Für die Ampelkoalition bedeuten diese Vorhaben einen „menschenrechtlichen Dammbruch“, wie PRO ASYL schreibt.